Aus Liebe zum (Freiwasser)schwimmen
Teil 3 – Training im offenen Gewässer
Nachdem ich im ersten Teil unserer Trilogie des Freiwasserschwimmens auf die Ausrüstung und im zweiten auf das richtige Verhalten im offenen Gewässer eingegangen bin, will ich mich heute Trainingstipps widmen. Die Open Water Kurse und Trainings von www.gdt.at in Wien versuchen Techniktraining und Ausdauertraining zu vereinen, um euch das Freiwasserschwimmen näher zu bringen und vor allem zu zeigen, dass es mehr ist als das pure Kilometerzählen. Warum wir diese Trainings anbieten, soll in dem Blog gezeigt werden.
Definition von „Training“
Das Wort Training hat mehrere Definitionen. Eine davon (Carl 1989, S 218) beschreibt es als „komplexen Handlungsprozess mit dem Ziel der planmäßigen und sachorientierten Einwirkung auf den sportlichen Leistungszustand und auf die Fähigkeit zur bestmöglichen Leistungspräsentation in Bewährungssituationen.“ Training sollte also planmäßig (und daher regelmäßig) erfolgen und dadurch spezifisch die Leistungsfähigkeit erhöhen.
Allein schon aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht zu wenig zwei bis drei Mal in der Woche ein Dauerschwimmen abzuhalten, so wie ich das in der Triathlonszene oft beobachte. Im Becken würde man ja auch nie auf die Idee kommen, eine Stunde einfach nur Kacheln zu zählen. Deshalb sollten eure Open Water Trainings immer danach aufgebaut sein, eure Leistungsfähigkeit hinsichtlich aller trainingsmethodischer Ziele zu verbessern.
Doch wie setzt sich eure Leistungsfähigkeit im Open Water zusammen?
Wie in jeder Sportart gibt es auch hier wichtige Parameter, die zu berücksichtigen sind. Die wichtigsten will ich euch hier näher bringen.
Die Komponenten sportlicher Leistungsfähigkeit
Die graue Eminenz der Sportwissenschaft Jürgen Weineck fasste 2010 die Komponenten sportlicher Leistungsfähigkeit in einer Grafik zusammen. Ich werde nun die einzelnen Faktoren herausheben und hinsichtlich der Bedeutung fürs Freiwasserschwimmen erklären.
1) Technik
Die individuelle Technik setzt sich aus den spezifischen Bewegungsfertigkeiten des Schwimmens, also der individuell bestmöglichen Ausführung von Armzug, Beinschlag und Atmung sowie den koordinativen Fähigkeiten wie Gleichgewichtsfähigkeit, Rhythmusfähigkeit, räumliche Orientierung, Reaktionsfähigkeit, Umstellungsfähigkeit, Kopplungsfähigkeit und kinästhetische Differenzierungsfähigkeit zusammen.
Da gerade beim Schwimmen die technische Komponente sehr wichtig ist, sollte keine einzige Einheit ohne Augenmerk auf zumindest ein technisches Merkmal absolviert werden. Idealerweise sollte man sich nach dem Warm up und Einschwimmen auf das Üben technischer Elemente konzentrieren. Da es jedoch schwierig ist Entfernungen abzuschätzen, hilft es beim Freiwasserschwimmen, die Anzahl der Armzüge oder Beinschläge als Maßstab zu nehmen. Als Maßeinheit unterscheidet man dabei zwischen einem Schwimmzug- das ist die Gesamtbewegung eines Armzuges- und einem Zyklus, welcher dann abgeschlossen ist, wenn beide Arme wieder an der ursprünglichen Ausgangsposition sind. Ein gesamter Armzyklus entspricht also zwei Armzügen.
Hier ein Beispiel einer Technikvorgabe in offenem Gewässer:
10 Wiederholungen folgender Übungsabfolge in sauberer und ruhiger Ausführung:
6 Züge linker Arm – 6 Zyklen beide Arme – 6 Züge linker Arm – 6 Zyklen beide Arme – 6 Züge Abschlagschwimmen (linker und rechter Arm im Wechsel) – 6 Zyklen beide Arme
Auf diese Weise können auch Distanzen überwunden werden, aber eben mit Köpfchen. Es gibt unzählige technische Übungen, die auf diese Weise durchgeführt werden können. Wenn ihr am Ufer dann auch noch einen erfahrenen Coach habt, der euch ausbessert, dann steht einer Verbesserung eurer Leistung nichts mehr im Wege.
Aber nicht nur die Bewegungsfertigkeiten, sondern auch koordinative Fähigkeiten können im freien Gewässer sehr gut trainiert werden.
Orientierung – durch Vorgaben von markanten Stellen sich diesen möglichst geradlinig zu nähern oder durch Wasserschattenschwimmen
Rhythmus – durch das Üben von Rhytmuswechseln des Armzugs oder Beinschlags
Reaktionsfähigkeit – durch das Absolvieren verschiedener Startübungen
…
Auch hier ist die Anzahl an Übungen praktisch grenzenlos und das Wissen und die Fantasie eurer Coaches hoffentlich auch.
2) Kondition
Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit und Beweglichkeit sind die vier motorischen Grundfertigkeiten, die in jeder Sportart vertreten aber in unterschiedlicher Dominanz zu trainieren sind. Schwimmen ist eine Ausdauersportart mit einem hohen Kraftanteil, der umso bedeutender ist, je höher die Geschwindigkeit ist, die man erreicht.
a) Die Kraft selbst gilt es am besten an Land zu trainieren. Keiner unserer Sportler*innen bekommt einen Plan ohne adäquates Krafttraining und wer unsere Stabilisationsworkouts via Facebook Live kennt, weiß auch welche Bedeutung Corekraft und -stabilität haben. Im Wasser ist durch Hilfsmittel (paddles, Widerstandshose,..) oder durch Reduktion der Antriebsmöglichkeiten (nur Arme bzw. Beine schwimmen) die Kraftausdauer gut zu trainieren. Allerdings muss man bei all den Methoden darauf achten, dass die Technik nicht zu kurz kommt. Nichts ist schädlicher als Kraftausdauerübungen, die mit falscher Technik geschwommen werden.
b) Die Ausdauer ist die wichtigste Komponente im Schwimmen. Aber warum wendet man im Open Water fast ausschließlich die Dauermethode an? Auch extensive oder intensive Intervalle können und müssen geschwommen werden, indem man die Entfernungen zwischen markanten Punkten, zum Beispiel über Google Maps, vorher misst und diese dann wie im Becken mit entsprechender Intensität und angemessenen Pausen schwimmen lässt. Dadurch werden auch die anaeroben Anteile der Ausdauer trainiert und zusätzlich wirkt die Trainingsgruppe extrem motivierend.
c) Die Schnelligkeit sollte in jeder Woche trainiert werden, weil die sogenannte motorische Haltbarkeit von Schnelligkeit sehr kurz ist. Unter Schnelligkeit versteht man Belastungen mit maximaler Geschwindigkeit, die kürzer als zehn Sekunden andauern. Neben Startübungen bieten sich Zwischenspurts, bei denen man probiert überraschend den Hintermann abzuhängen und dieser das zu verhindern versucht, oder Schlussspurts mit oder ohne Landgang sehr gut als Übungen an
d) Die Beweglichkeit sollte jedenfalls durch funktionelles Aufwärmen und sonst an Land trainiert werden.
3) Übrige Faktoren
a) Taktisch – kognitive Fähigkeiten:
Gerade beim Freiwasserschwimmen hängt vieles von der Taktik ab. Wo schwimme ich in der Gruppe, wo stelle ich mich beim Start auf, wie und wann überhole ich am besten, wie weiche ich den Massen aus, oder suche ich sie? All das kann perfekt bei einer Open Water Einheit trainiert werden
b) Soziale Fähigkeiten:
Es gibt unzählige Spiele, die man zu zweit oder mit einer Gruppe im Wasser spielen kann, um die Stimmung, die Motivation, aber vor allem auch spezifische Elemente des Freiwassserschwimmens zu trainieren.
c) Psychische Fähigkeiten:
Als Coach kann man, wenn man die Gruppe kennt, auch ein wenig den Druck erhöhen und diese damit einer wettkampfähnlichen Situation aussetzen. Man kann (ohne Corona-Krise) enge Starts und Rangeleien üben. Sprints mit Tauchübungen verbinden usw. All das muss aber wirklich mit Bedacht gemacht werden, weil das angstfreie Schwimmen wohl das wichtigste Element in freiem Gewässer darstellt. Erst wenn die Menschen sich angstfrei dem Element nähern, kann man die Schwierigkeit der Übungen und auch den Ton der Trainerstimme verändern.
d) Gesundheitliche Faktoren
werden alleine schon dadurch verbessert, weil man sich mit der kalten Umgebungstemperatur des Wassers auseinandersetzen muss. Man lernt seinen Körper kennen, bekommt Tipps und Tricks vom Coach, wie man das Verkühlen danach verhindert und wie man generell auf seine Gesundheit achtet.
Zusammenfassung
Zusammengefasst gibt es also keinen Grund, das Open Water Training nicht mindestens genauso abwechslungreich zu gestalten wie das Beckenschwimmen. Im Gegenteil: Nur so werdet ihr schneller werden. Sucht euch einen guten Trainer, eine gute Gruppe und meldet euch zumindest einmal in der Woche zu einer Open Water Einheit an. Solltet ihr drei Mal pro Woche zum Schwimmen gehen, dann kann eine Einheit ruhig aus Dauerschwimmen und Kilometersammeln bestehen. Eine andere sollte hingegen aber vorwiegend technische Elemente beinhalten und die dritte Schnelligkeit und anaerobe Anteile. Bei zweimaligem Schwimmen würde ich immer Technikelemente einbauen und eine Einheit eher ruhigeren Intervallen mit Orientierungsübungen widmen, während die andere Schnelligkeitsübungen und intensive Intervalle beinhaltet.
Wir von GDT hoffen euch durch unsere Blogs und natürlich vor allem durch unsere Kurse und Trainings in Wien 10, 21 und 22 die Faszination Freiwasserschwimmen euren Herzen näher bringen zu können. Wir freuen uns auf jede einzelne Einheit mit euch.
Hier kommt ihr zur Buchung unserer Freiwassertrainings und – kurse. Wir bieten auch 5er- und 10er- Blöcke an, die an jedem Ort einlösbar sind.
Euer,
Gerald Dygryn