Das Motiv für diesen Blog
Als Beobachter der Szene, der Großevents auch für den ORF kommentieren darf und seit Jahren als Coach im Hochleistungsbereich arbeitet, aber auch schlicht als Triathlonfan interessieren mich die Rennen der höchsten Kategorie in allen Distanzen unseres Sports natürlich sehr. In letzter Zeit erlebte ich, dass es immer weniger objektive Berichterstattung und immer mehr persönlich gefärbte Eindrücke und „Analysen“ gibt, die es dem/r neutralen Zuseher*in immer schwieriger machen, sich eine objektive Meinung zu bilden.
Aus diesem Grund werde ich bis zu den Olympischen Spielen in Paris versuchen von den höchstklassigen Rennen unseres Sports zu berichten. Analysen oder meine persönliche Meinung zu Entwicklungen werde ich dabei außen vorlassen. Es gilt nur über das Geschehen zu berichten, um eine objektive Basis zur Meinungsmachung zu schaffen.
Die Championship Finals der WM Serie in Pontevedra (23./24.9.23)
Die Championship Finals von World Triathlon stellen alljährlich das Saisonhighlight der weltbesten Kurzstreckentriathlet*innen dar. Hier werden die Weltmeister*innen und damit die besten ihrer Zunft ermittelt.
Insgesamt bestand die Serie 2023 aus sieben Rennen. Beginnend Anfang März in Abu Dhabi, waren Yokohama (Japan), Cagliari (Italien), Montreal (Kanada), Hamburg (Deutschland), Sunderland (England) und eben Pontevedra (Spanien) die eindeutig europalastigen Stationen der höchsten Rennklasse im Triathlon.
Das Finale ist nicht nur das letzte Rennen der Saison, sondern auch das Wichtigste, weil es hier die meisten Punkte – 1250 statt 1000 für den/die Sieger*in – sowohl im WM – als auch im Olympiaranking zu vergeben gibt. Weltmeister*in sind am Ende die Athlet*innen, die über die Serie in Summe die meisten Punkte sammeln.
In diesem Jahr hatten auch einige Nationen die Ergebnisse an interne Olympiaqualifikationskriterien gekoppelt.
Das Herrenrennen:
Ein windiger, aber ansonsten schöner, spätsommerlicher Samstag bot eine technisch und topographisch nicht sehr anspruchsvolle Strecke, wohl aber eines der verrücktesten und außergewöhnlichsten Finale der letzten Jahre.
Die Ausgangsposition war klar. Alex Yee (GBR) und Hayden Wilde (NZL) lagen als Dominatoren der Serie auf Platz 1 und 2 und galten als Favoriten. Ein Sieg würde sie jeweils zum Weltmeister krönen. Außenseiterchancen auf den Titel hatten Vasco Vilaca (POR), sowie die Franzosen Bergere, Le Corre und Conninx.
65 Athleten machten sich nach dem Startschuss auf den Weg und schnell wurde klar, dass das Tempo sehr hoch war. Matthew Hauser (AUS) war es zu verdanken, dass der Tag ganz anders als erwartet ablaufen sollte. Von Beginn an machte er immens Druck, hielt die Pace auf nur knapp über 1 Minute pro 100m und versuchte die Schwäche von Wilde, Yee und auch Blummenfelt auszunutzen. Sein Vorhaben gelang. Yee und Wilde schwammen zusammen und hatten nach einer Runde 24 und am Ende der 1500 m 49 Sekunden Rückstand.
Doch Hauser reichte das starke Schwimmen nicht. Er flog quasi den Weg zur Wechselzone und auch der Wechsel selbst, brachte alle um ihn in Bedrängnis. Drei Sekunden Vorsprung hatte er in den ersten Kilometern auf eine Gruppe von 14 Athleten. Darunter alle Franzosen, die Deutschen Schomburg und Hellwig, Vilaca, Lehmann, Shoeman und andere.
Dahinter nahm das Drama seinen Lauf. Wilde, der schon öfters, zuletzt in der Superleague, Penaltys bekam, verlor während des Laufs in die Wechselzone seine Badehaube. Während er sie von der linken in die rechte Hand warf, glitschte sie ihm aus der Hand. Er wollte sie noch mit den Fuß ins Wasser kicken (was keinen Penalty bedeutete), doch anstatt ins Wasser schoss er sie unglücklich an einen Fahnenständer, von dem sie wieder zurückbouncte und endlich am Teppich liegen blieb. Der Druck den Anschluss zu verlieren war zu groß und so lief Wilde weiter anstatt zu stoppen und sie auf zu heben. Ein 15 Sekunden Penalty war das Resultat.
Während Wilde aber den Anschluss an die dritte Gruppe schaffte, verpasste Yee sogar diese und fand sich unter den letzten der Verfolger wieder. Da sich dort zumeist auch die schwächsten Radfahrer befinden, war schon früh klar, dass es dem Briten auch in diesem Jahr nicht gelingen würde, den Titel zu erobern.
Das Spitzenfeld und vor allem die Franzosen darin wussten schnell, dass nun ihre Chance gekommen war, um das Rennen und die WM für sich zu entscheiden. Sie hielten das Tempo so hoch, dass zwar die erste Verfolgergruppe den Anschluss schaffte, die Gruppe aber mit Blummenfelt und Wilde sich bei einem Abstand von ca. 45 Sekunden einpendelte. Yee verlor bis zum Ende gar zwei Minuten.
Die Laufentscheidung kann in drei Abschnitte eingeteilt werden. Die erste Runde stand nochmals im Zeichen von Matthew Hauser, der sein Heil in der Flucht versuchte, aber scheiterte. Morgan Pearson versuchte sein Glück in der zweiten Runde doch auch er schaffte nur einen kurzzeitigen Vorsprung von vier Sekunden.
In der Zwischenzeit versuchte Wilde alles, um seine Chance auf den Titel noch aufrecht zu erhalten. Mit der fünftbesten Laufzeit inklusive Penalty reichte es am Ende aber nur zu Platz 10.
In der letzten der vier Laufrunden rissen schließlich die Franzosen Le Corre, Conninx und Bergere, sowie die deutschen Hellwig und Lührs eine Lücke zum Rest des Feldes auf. Dem Ausscheidungsrennen fiel zuerst Lührs, dann Bergere zum Opfer. Es kam zum Zielsprint, den Dorian Conninx am Ende vor Hellwig und Le Corre für sich entscheiden konnte. Conninx sicherte sich damit absolut überraschend auch den Weltmeistertitel, vor Wilde und Bergere. Einer der Dominatoren der Saison, Alex Yee erlebte sein Waterloo. Sein 30. Platz im Rennen, ließ ihn auf Platz fünf in der WM – Serie zurückfallen.
Ergebnisse: https://triathlon.org/results/result/2023_world_triathlon_championship_finals_pontevedra/582708
Das Damenrennen:
Nicht ganz 60 Damen sprangen dann am Sonntag ebenfalls ohne Neoprenanzug in die Fluten, um das letzte und für einige wichtigste Rennen der Saison in Angriff zu nehmen. Die starken Schwimmerinnen wie Mathias (GBR), Seregni (ITA), Coldwell (GBR) aber auch seit langem wieder einmal Kingma (NED) setzten auf eine hohe Pace. Stark dabei auch die führende der WM – Wertung Potter (GBR).
Es ist unglaublich wie die ehemalige 10k Läuferin in nur wenigen Jahren das Schwimmen auf eine Art und Weise verbesserte, wie es nur wenigen gelingt. Überraschend stark auch Gwen Jorgensen (USA). Die Olympiasiegerin von Rio war nach einer Runde nur 21 Sekunden hinter der Spitze.
In der zweiten Runde wurde es schneller, aber ansonsten änderte sich an den Platzierungen wenig und so stieg Mathias vor Seregni aus dem Wasser. Die Italienerin konnte aber schon zu Beginn die Pace nicht mitgehen und fiel aus der Führungsgruppe, die nach einer Radrunde aus 15 Damen und praktisch allen Favoritinnen bestand. 24 weitere Athletinnen dahinter mit knapp einer halben Minute Rückstand. Viel passierte am Rad nicht. Während die Führungsgruppe zuerst den Vorsprung vergrößerte, veränderte sich das Bild ab der Mitte der 40 km. Die Verfolgerinnen kamen wieder näher heran und attackierten so stark, dass sogar eine Jorgensen aus der Gruppe herausfiel und 15km alleine radeln musste. Und so waren es in der zweiten Wechselzone nur mehr 10 Sekunden zwischen der Spitze und den Verfolgerinnen.
Das Laufen wurde einmal mehr zu einem Ausscheidungsrennen, bei dem Beth Potter mit einer Laufzeit von 33:26 Minuten die klar stärkste war und sich mit dem Sieg nicht nur zur Weltmeisterin kürte, sondern auch ihr Olympiaticket sicherte. Auf Platz zwei Kate Waugh. Die junge Britin wurde 2022 noch U23 Weltmeisterin und zeigt in dem Jahr schon klar, dass sie für die ohnehin starken Britinnen eine Medaillenkandidatin für Paris werden kann. Mit dem dritten Platz sicherte sich Cassandre Beaugrand den Vizeweltmeistertitel.
Das beeindruckendste Rennen gelang aber wohl der Deutschen Lisa Tertsch. Die Harward Absolventin war noch beim Testrennen in Paris knapp an der Olympiaquali gescheitert. Wissend, dass sie Platz acht brauchen würde, setzte sie in der letzten Runde alles auf eine Karte und überholte von der zweiten Radgruppe kommend bis auf Waugh und Potter alle. Umso spannender wurde es, weil Tertsch wie schon in Hamburg einen 15 Sekunden Penalty wegen „Schwimmfehlverhaltens“ absitzen musste. Aufgrund ihrer beeindruckenden Laufleistung von 33:38 min wurde sie dabei aber nur mehr von Beaugrand zurücküberholt, wurde Gesamtvierte und kann sich nun in Ruhe auf ihren ersten Auftritt bei Olympia vorbereiten.
Die Rennen der Österreicher*innen
Bei den Herren zeigte der Tiroler Knabl einmal mehr mit einer beeindruckenden Schwimmleistung auf. Als zehnter stieg er aus dem Wasser, verlor aber Runde für Runde Zeit und den Anschluss an die Radgruppen um ihn. Am Ende der dritten Runde stieg er wegen Kreislaufproblemen (Quelle: ÖTRV) aus. Tjebbe Kaindl stieg mit 44 Sekunden Rückstand als 46. aus dem Wasser und hielt sich das gesamte Radrennen in der Gruppe mit Blummenfelt und Wilde auf. Während er in den ersten drei Runden viel arbeitete, sparte er im weiteren Verlauf Kräfte fürs Laufen, was taktisch durchaus nachvollziehbar war, schließlich ging es bei anderen seiner Gefährten um den WM – Titel. Mit der 45. Laufzeit (32:06 – 2:22 Rückstand auf den besten Läufer Hellwig) und 3:04 min Rückstand wurde er am Ende 34. Fünf Läufer liefen unter 30, 16 unter 31 Minuten.
Bei den Damen stand für die beste Österreicherin Julia Hauser am Ende Platz 44 zu Buche. Mit 53 Rückstand auch 44. nach dem Schwimmen, verlor die dritte Gruppe in der sie sich am Rad befand Runde für Runde Zeit. Die beiden weiteren Österreicherinnen Stroschneider (51. mit 1:28 Rückstand) und Perterer (55. mit 1.50 Rückstand) beendeten die erste Disziplin noch weiter hinten und hatten in der letzten Radgruppe fahrend nie eine Chance aktiv ins Renngeschehen einzugreifen. Zusammengefasst die Ergebnisse der Österreicherinnen:
Rang. Name (Endzeit/Rückstand auf Platz 1/Laufzeit/Rückstand auf die schnellste Laufzeit)
- Hauser (1:59:24 / 6:05 / 35:59 / 2:33)
- Perterer (1:59:34 / 6:15 / 35:43 / 2:17)
- Stroschneider (2:01:28 / 8:09 / 37:30 / 5:04)
Paris 2024 – ein Ausblick
Einmal mehr zeigt sich, dass Schwächen kaum mehr erlaubt sein werden, wenn es um die absolute Weltspitze geht. Inwieweit die Medaillengewinner von Tokio Blummenfelt, Yee oder Wilde eine Rolle in Paris spielen werden, wird einerseits davon abhängen, ob sie den Rückstand im Schwimmen nach ganz vorne schließen werden können und auf der anderen Seite, ob Ihre Konkurrenten einig und couragiert genug sind, ihnen nach dem Schwimmen keine Chance zu geben. Als vielseitigste Triathleten präsentiert sich aktuell das französische Team, sowie der deutsche Hellwig. Ein rein französisches Podium scheint möglich. Aus der Tatsache, dass der Weltmeister 2022 und WM Dritte 2023 Leo Bergere die interne Qualifikation noch nicht in der Tasche hat, erkennt man wie stark diese Mannschaft ist. Bei den Damen wird kein Weg an den Britinnen vorbeiführen. Mit deren Ausgeglichenheit in allen Disziplinen können aktuell nur Laura Lindemann (auch wenn sie in Pontevedra einen schlechten Tag hatte) und Cassandre Beaugrand mithalten. Interessant wird 2024 das Zurückkommen der beiden letzten Olympiasiegerinnen Duffy und Jorgensen sein. Letzte zeigte zu Saisonende schon eine deutliche Verbesserung im Wasser. Wenn sie mit der ersten Radgruppe absteigt, ist sie sicher auch in Paris nicht zu unterschätzen.
Aktuell sind aufgrund kluger Auswahl von Qualifikationsrennen noch je zwei Damen und Herren aus heimischer Sicht für Olympia qualifiziert. Ein Platz unter den Top 20 in Paris wäre aus heutiger Sicht allerdings eine große und überaus positive Überraschung. Mit der absoluten Weltspitze kann im Moment nur Knabl beim Schwimmen mithalten.
Aktuell fix qualifizierte Athlet*innen für Paris
Frankreich: Le Corre, Conninx / Beugrand
England: Yee / Potter
Deutschland: Hellwig, Lührs / Lindemann, Eim, Tertsch
Australien: Hauser
USA: Pearson, Knibb
Niederlande: Kramer
Schweiz: Derron